der Weisheit letzter Schluss
Liebe Leserinnen und Leser,
in diesen Tagen wird viel um die Wahrheit gerungen. Oder zumindest um die Weisheit: Ist es der Weisheit letzter Schluss, diese oder jene Branche in besonderer Weise bzw. Höhe finanziell zu unterstützen oder gar im Konjunkturprogramm zu bedenken? Ist es der Weisheit letzter Schluss, sozialen Medien einen Präsidenten-Riegel vorzuschieben, um Kritik als Fälschung aus der Welt räumen zu können? Ist es der Weisheit letzter Schluss, Menschen in Ihrer Freiheit zu beschränken, um sie vor ihrer eigenen und vor fremder Unvernunft zu schützen?
Ja, genau – rufen die einen. Geht gar nicht, sagen die anderen. Mir fällt auf, dass der öffentliche Diskurs zunehmend als Schwarz-weiß-Malerei stattfindet: entweder man ist für eine Auto-Kaufprämie – oder ganz grundsätzlich dagegen. Entweder für Trump – oder total dagegen. Ganz für Lockerungen – oder ganz dagegen. Zwischentöne? Häufig Fehlanzeige. Als wäre das Leben so ganz 0 oder 1. Doch so ist es eben nicht. Was wäre das Leben ohne die vielen Grauschattierungen? Und erst recht: ohne die ganz unterschiedlichen Farbtöne, in die es bisweilen getaucht ist? Nein, Leben ist bunt, vielfältig, uneindeutig, manchmal (gerade
deswegen) nervig, schön, himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt… Und gerade deshalb manchmal nicht zu durchschauen, zukunftsoffen – voller Nuancen und Facetten.
Ja, Zwischentöne gehören zum Leben dazu. Und ja: es wird dadurch nicht leichter. In diesen Wochen können wir einen Blick in die Werkstatt der Virologen erhaschen. Sehen, wie der eine die Lage beurteilt. Zugleich sehen, wie anders es eine andere Vertreterin desselben Faches sieht. Natürlich lässt uns das bisweilen ratlos zurück, vielleicht sogar wütend. Aber: diese Vielfalt ist normal. Weil diese Vielfalt zu unserem Erdenleben dazugehört. Jesus hat einmal gesagt: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ Will heißen: Sich selbst mal zurückzunehmen, über Jesus nachzudenken, einzelne seiner Worte auf der Zunge zergehen zu lassen, seine Perspektive auf das Leben zu verinnerlichen, mitunter das eigene Tun von seinen Maßstäben bestimmen zu lassen. Das kann helfen, sich wieder frei zu machen.
Innere Freiheit zu gewinnen, um auch wieder leise Zwischentöne zu hören und vernünftig zu denken und zu handeln. Und nicht selber der lauten Top-oder-Flop-Rhetorik zu verfallen, die uns für ihre Anliegen in Beschlag nehmen will. Innere Freiheit, mitunter auch, um sich selber zu beschränken, sich selbst und anderen zuliebe. „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ Das Leben ist zu schön, um nur schwarz-weiß zu sehen.
Bunte Gedanken in unseren bewegten Zeiten
wünscht Ihnen Ihr
Pfarrer Bernd Rother
Gerne könne Sie die Andacht auch anhören…
Bernd Vierthaler | Stand