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Andacht: Genau hinhören, genau hinschauen

Bibel mit Kerze

„Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.“ Da er das sagte, rief Jesus: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Markusevangelium, Kapitel 8, Verse 5-8)
Haben Sie auch gleich ein Bild vor Augen? Schon Jesu Jünger fragten sich: was will er uns denn eigentlich sagen?

Ein tieferer Sinn erschließt sich dem, der genauer hinschaut, sich einliest, sozusagen bei einer eingehenden Betrachtung. Beginnen wir am Ende! Jesus sagt: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Eine Frage, die auch heute aktuell ist: Höre ich noch zu? Oder bin ich schon so abgelenkt, dass ich meistens nur mit einem Ohr zuhöre und innerlich schon beim nächsten Thema? Das gilt fürs Hören wie auch fürs Hinsehen. Zu Jesu Zeiten gab es weder Fernsehen noch Bücher oder Zeitschriften. Die Menschen waren aufs Hören geeicht. Das Ohr war das zentrale Sinnesorgan, mindestens so bedeutend wie heute die Augen. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Oder für uns heute: wer Augen hat zu sehen, der sehe! Der schaue genau hin! Habe ich Augen nicht nur für mich, sondern für meine Mitmenschen, gerade auch für die, die man so leicht oder auch ganz gerne mal übersieht?

Nach Jahrzehnten, in denen der Blick eher auf einen selbst, auf das eigene Fortkommen, auf den eigenen Profit und Spaß gerichtet war, erleben wir in unseren Tagen ein neues Hinschauen. Menschen werden wieder wach. Ihr Blick schärft sich. Ob in Belarus und Moskau, in Myanmar und anderswo: Menschen schauen genauer hin, lassen sich nicht einschüchtern, nehmen die Folgen in Kauf. Ob die Saat ihrer Proteste aufgeht, können sie nicht wissen. Aber ihr innerer Blick, die Vision eines Staatswesens ohne Unterdrückung, eines Zusammenlebens in Freiheit, lässt sie hinausschauen über die momentanen Missstände. Dieser genaue Blick auf was jetzt ist, und der weite Blick auf das, was sein könnte, setzt ihre Energie frei. Fridays for future, wenn auch coronabedingt derzeit weniger auf den Straßen und Plätzen als vor wenigen Monaten, zeigt das genauso. Der genaue Blick auf das Jetzt und die Vision eines Zusammenlebens in Generationengerechtigkeit auf einem lebenswerten Planeten lässt tausende aktiv werden.
Darum also geht es Jesus in erster Linie. Genau hinhören, genau hinschauen, immer aber auch hinaus schauen über das Hier und Jetzt. Die Hoffnung darauf, dass sich in Zukunft etwas verändern kann, diese Hoffnung auf Zukunft gehört zu den Grundfesten unseres Glaubens. Wo wir diese Energie verspüren, da haben wir es sinngemäß mit der Kraft der Auferstehung zu tun. Bald schon feiern wir wieder Ostern. Sicher wegen Corona wieder anders als gewohnt. Aber darauf kommt es nicht an. Jesus kommt es darauf an, dass wir uns von der Kraft der Auferstehung bewegen lassen. Dass wir uns gegenseitig inspirieren, festhalten an der Hoffnung, dass die Zukunft anders werden kann. Nicht nur, was jetzt oft gefordert wird: dass wir unser altes Leben zurückbekommen. Nein, viel mehr. Sich trauen, von wirklichen Verbesserungen in der Zukunft auszugehen. Sich dann dafür einzusetzen, dass die auch kommen, geht dann ganz von selbst.

Nicht alles, was man dann versucht, wird funktionieren. Wir Menschen haben unsere Grenzen, unsere Macken und Fehler, wir haben oft genug nicht genug Ausdauer. Erfolge müssen sich schnell einstellen, darauf sind wir in unserer Konsumgesellschaft geeicht. Aber das eigentliche Leben hat oft genug einen anderen Takt. Wirklicher Fortschritt kommt selten über Nacht. Vielmehr braucht es x Anläufe, bis dann der Durchbruch gelingt und wirklich etwas vorwärtsgeht. Wie in dem Gleichnis. Viel Aussaat, nur wenige Körner bringen dann ihre Frucht. Dann aber gleich hundertfach. Auf den ersten Anläufen treten die Menschen herum, achtlos oder sogar verächtlich. Die nächsten Etappen werden mühsam, man meint, dass schon etwas vorwärtsgeht, und dann: doch wieder nichts. Dranbleiben. Darum geht es Jesus hier. Christsein als Ausdauersportart, wenn man so will. Die Wintersportler, die in diesen Wochen ihre Weltmeisterschaften austragen, waren auch nicht immer da, wo sie jetzt sind. Aber einmal auf dem Treppchen zu stehen, das setzt ihre Energie frei.

Gott will unsere Lebensenergie freisetzen! Das ist die Botschaft in Jesu Gleichnis! Und er wünscht sich, dass wir vor der Wirklichkeit nicht die Augen und Ohren verschließen. Dass wir in seinem Sinn, sozusagen mit seinem geschärften Blick genau hinhören, hinschauen. Uns leiten lassen von seinem Wort. Fragen Sie sich mal: welcher Bibelvers ist für mich so eine geheime Energiequelle, aber auch eine Richtschnur, die mir hilft, dranzubleiben und mein Leben auf Kurs zu halten?
Nicht über Nacht, aber im Lauf des Lebens wird ein solches Wort seine Kraft entfalten.

Das wünsche ich Ihnen.
Ihr Pfarrer Dr. Bernd Rother

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