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Was soll ich sagen?
Ich weiß nicht, ob Sie sich in letzter Zeit diese Frage auch öfter gestellt haben: „Was soll ich sagen?“
Wenn ich meinem Gegenüber ein „glückliches, neues Jahr“ wünsche, mag es für ihn oder sie schal klingen, wenn der Arbeitsplatz bedroht ist, jemand in der Familie von Corona betroffen ist, die Belastungen in der Krise zu viel werden. Aber das weiß ich meistens nicht, wenn ich dem anderen beim Einkaufen begegne oder einen kurzen Anruf tätige.
Mehr als in Zeiten vorher sind wir sensibel für menschliche Schicksale, ohne sie zu kennen. Denn die meisten sprechen allenfalls im engsten Familien- und Freundeskreis über ihre Sorgen und Ängste. Es ist bei uns gesellschaftlich nicht üblich das zu tun. Wer sich nicht an Gepflogenheiten hält, muss befürchten, aus der Gemeinschaft zu fallen. Bei allen Nöten, möchte man diese weitere nicht auf sich laden.
Wie oft heißt es im Nachhinein, wenn wir Tatsachen nicht mehr für uns behalten können: Wenn ich das gewusst hätte?
Was soll ich sagen? Das können wir uns auch in gesellschaftlichen Debatten fragen. Auf der einen Seite möchten wir nicht pauschal über Menschen, ihre Meinungen, Sorgen und Nöte urteilen. Auf der anderen Seite wollen wir uns klar positionieren. Es ist schier nicht möglich allen und allem gerecht zu werden. Wie schnell führt manche falsch interpretierte oder unglücklich formulierte Aussage zur Eskalation.
Was soll ich sagen? Auf jeden Fall, dass wir aufpassen müssen, vor lauter Ratlosigkeit nicht sprachlos und einsam zu werden. Wo kein echter Austausch mehr möglich ist, entfernen wir uns unweigerlich voneinander.
Vielleicht ist es gut, sich bewusst Zeit und Ruhe zum Nachdenken über sich und andere zu nehmen, Zeit und Ruhe, miteinander zu reden, Meinungen auch einmal stehen zu lassen, nicht zu schnell zu urteilen. Das kann ein Türöffner sein, damit wir aufeinander achten können, weil wir voneinander wissen.
Es ist Zeit für Menschenliebe immer und im Moment vielleicht bewusster.
Das möchte ich sagen.
Ihre
Dekanin Dagmar Häfner-Becker
Bernd Vierthaler | Stand