HOFFNUNG
H O F F N U N G
Der Bürgersteig
vor unserem Haus
hat eine dichte
solide Asphaltdecke
Jahrelang
bin ich darüber gelaufen
Vorgestern
bemerkte ich plötzlich
eine dicke Beule
in dem glatten Asphalt
Gestern
sah ich
zwischen den aufgeworfenen Asphaltbrocken
einen weißen Pilz
Heute war der Pilz fort
zertreten, zerstreut, tot
Aber
jetzt
ist ein Loch im Asphalt
(Aus: Ich mag Gänseblümchen, Andrea Schwarz, Freiburg 2016, S. 142f)
HOFFNUNG – in großen Buchstaben geschrieben. Die brauchen wir immer und gerade jetzt spüren wir das vielleicht mehr als sonst. Doch was ist Hoffnung und woher kommt sie?
Sie hat etwas mit Zeit zu tun, etwas mit dem jahrelang, mit Gewohnheiten, und mit dem, was gestern, vorgestern war und heute ist.
Denn wir leben in der Zeit an einem Ort gemeinsam mit Menschen. Im Alltag geschehen meist ganz einfache Dinge. Da fällt schon eine Beule im glatten Asphalt auf, die plötzlich da ist. Sie stört ebenso wie der aufgeworfene Asphalt und die Pilze, die dort wachsen. Es ist kein schöner Anblick und alles andere als glatt.
Doch ist unser Leben nicht auch so? Oft ist es nicht glatt und geradlinig, sondern wir gehen viele Umwege, weil wir müssen, weil wir etwas versäumt haben, weil es so gekommen ist, weil wir uns falsch entschieden haben. Es gibt viele Gründe dafür.
Hoffnung ist, wie ich den Blick auf das, was war und ist und damit auf mein Leben lege.
Es ist wie mit dem Loch im Asphalt am Ende der Verse oben. Wenn ich es überrascht anschaue, eröffnet es mir Perspektiven. Wenn ich mich darüber freue, weil endlich einmal etwas anders ist oder die Ruhe, die ich schon immer lähmend empfunden habe, gestört ist, dann eröffnet sich Zukunft.
Und Zukunft und Hoffnung bedingen sich und gehören zusammen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine hoffnungsvolle Zeit.
Ihre Dekanin Dagmar Häfner-Becker
Bernd Vierthaler | Stand